contemporary artist

zwischen Mythen, Mären und Träumen

Ein Text zu Werken von Daniel Schwarz (Anja Ritter, 2017)
„Die Kunst ist fast immer harmlos und wohltätig, sie will nichts anderes sein als Illusion.“

Freuds Auffassung zur Kunst als Ort der Phantasie und Loslösung einer Realität, weist Seelenheilende Charakteristika auf. Der Realität kann sich das Individuum an sich nicht entziehen, doch biete die Kunst Raum für Phantasiebefriedigung. Sie sei Lustquelle und Lebensströmung – vergleichbar der Dichtung.

Phantastische Geschichten begleiten den Menschen seit Anbeginn. Griechische Mythologien, Märe oder Träume sind von Menschen geschaffene Dichtungen, in denen Gestalten Form und Identität geschenkt und bewegt, sowie von heroischen, wagemutigen, ehrbaren Erlebnissen und Charakteren erzählt wird.

Was sind diese Phantasiegebilde? – Jagd auf Sehnsüchte? Lösungsansätze unbewusster Konflikte? Schöpferreichtum? Wahrung von Wundern und Hoffnung? Ein Ausleben und Hinwenden zur Bereitschaft mystischer Wahrheiten und Möglichkeiten als Antonym einer vernunftsgerichteten Gesellschaft?

Betrachtet man die Werke von Daniel Schwarz, zeigt sich in seiner Kunst ein Aufleben jener kulturträchtigen Inhalte. Ausgehend von einer in scheinbar entmystifizierter Realität gefangenen Gesellschaft distanziert er sich davon und bricht Monotonie auf, ohne sich von der Realitätswelt explizit abzutrennen. Die Bildgeschichten bewegen, öffnen Raum für Zauber, Mystik und Traum. Details berühren, Welttheater regt Phantasien an. In Vereinigung von Logos und Mythos lassen sich dort Sehnsüchte einer längst verloren geglaubten Realitätswahrnehmung ausleben.

Natürlich offenbart der junge Künstler dabei ein Teil seines Selbst. Vorlagen und Anregungsmomente bieten Daniel Schwarz Naturerinnerungen gleichermaßen traditionelle Geschichten, wie die Argonauten-Saga von Gustav Schwab oder der Loreley im oberen Mittelrheintal. In den Werken fließen sie mit ein – nicht thematisch, sondern sensuell und peripher symbolisch in einem narrativen Komplex als Triumph über das Alltägliche. Im Wechselspiel von Offenbarung und Verschleierung vereinen sich Dichtungen und Traumwelten schöpferisch zu einem Ganzen, dessen Kodierung primär auf atmosphärischer Ebene stattfindet.

daniel schwarz kunst
Loray

In dieser selbstgeschaffenen Erinnerungs- und Empfindungsrealität heben sich Figuren mehr oder minder hervor oder verschmelzen mit ihrer Umgebung, so dass semi-amorph organisches Leben entsteht, durchzogen von einer immateriellen Existenz unaussprechlicher Wahrnehmungen. Es eröffnen sich neue, ungewohnte und doch zugleich vertraute Perspektiven von schauen und durchschauen, von wahrnehmen und aufnehmen. Dabei erfährt das visuell Wahrgenommene fundamental Unterstützung von einem verhüllten, nicht mit dem bloßen Auge zu entdeckenden Seiendem, so dass es im Unterbewusstsein aufgenommen wird: ähnlich der Essenz eines Traumes erlebt, gespürt und doch nicht gesehen, atmen diese Werke flüsternd von ihren Geheimnissen.

Solche Erlebnisräume ergeben sich auch aus der Farb- und Formentiefe innerhalb der Werke. Im Zusammenspiel lasierender Farben neben dick aufgetragenen oder überlappenen Farbschichten, Übermalungen und Durchscheinen bildet sich ein erzählerisches Moment.
Im technischen Variationsreichtum von Bernhard Schultz beeinflusst, flößt Daniel Schwarz dem Werkinhalt Leben ein. Blumen, welche an die Tradition flämischer Blumenstillleben anknüpfen, wachsen wie Zierden an Bäumen oder Andeutungen, Spuren von Gestalten, Schatten, Geister gesellen sich in die Natur. Hier und dort ein Tier, für sich und doch mit dem Ganzen verbunden.
Die Landschaften sind Erinnerungen und Naturerfahrungen des jungen Künstlers aus seiner Kindheit und Jugendzeit: eine bewahrte Atmosphäre niederrheinischen Charakters, durch wechselfeuchte Vegetation in saftigen Farben und durch Nebel verhüllt. Ihm sind diese Naturlandschaften präsent geblieben als Energiequelle in mitten der Großstadt. In seinen Werken aufbewahrt manifestieren sie sich als märchenhafte Landschaften mit narrativen, metaphorischen Phantasiewelten.

Daniel Schwarz´ künstlerisches Phantasieverständnis überschreitet dabei Freunds Formulierung einer Realitätsloslösung innerhalb der Kunst. Tatsächlich schöpft er Phantasie aus der verklärten Erhöhung von Realität gleichermaßen von ihrer Wahrnehmung. Sie ist romantische Phantasie mit und in träumerischen Naturlandschaften, in welchen vielfältige Empfindungsmomente hausen. Momente des Träumens, gleichermaßen des Verlusts, des Sehnens, der Sehnsucht zum Naturerlebnis und der Beziehungsverhältnisse zwischen Gestalten, Menschen, Natur.

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The Shore